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Von akademischen Obrigkeiten und ihren Zeichen

Ausschnitt: Eines der beiden (verlorenen) Universitätsszepter der alten Kölner Universität.

An der Spitze der Kölner Universität stand und steht seit dem Mittelalter der Rektor der Universität. Ihm oblag die Immatrikulation und Verpflichtung der Studierenden. Im Mittelalter war der Rektor zugleich Richter erster Instanz über alle Universitätsangehörigen und deren Familien.

Das Universitätsarchiv verwahrt eine Serie von Fotografien von Rektorenbildern der alten Kölner Universität, deren Originale sich im Besitz des Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds befindet.

Mit der Immatrikulation wurde man(n) "membrum oder suppositum der Universität", wie Hermann von Weinsberg in seinen Erinnerungen schreibt, und genoss auch alle ihre Privilegien, darunter den besonderen Gerichtsstand. Unter den von Hermann Keussen publizierten Quellen zur Geschichte der Universität finden sich verhältnismäßig häufig Beschwerden darüber, daß ein Student versuchte, den Fall vom weltlichen Gericht vor das (geistliche) Gericht des Rektors zu ziehen. Das konnte aber auch schiefgehen: So beschloß der Rat der Stadt Köln, dem Studenten Peter Peltz von Attendorn Schirm und Schutz aufzukündigen, weil er den Steinmetz Hermann von Aldenhoven "ungebührlich" in einer ordentlich vor das weltliche Gericht gehörenden Sache mit dem geistlichen Recht verfolge. Weil sich Peter mit hochmütigen Worten geweigert habe, die Sache vor dem zuständigen Richter zu belassen, kündigte ihm die Stadt Schutz und Schirm auf, "und es geschehe ihm danach, wie es wolle - der Rat gedächte auch Unrecht an Peter Peltz nicht zu strafen."

Wie wichtig das Universitätszepter war, zeigt eine Miniatur aus Conrad Richenthals Chronik des Konstanzer Konzils: Auf der Fronleichnamsprozession werden die teilnehmenden Doktoren der Universitäten von vier Szepterträgern begleitet (Bild: Wikipedia).

Dem Rektor standen nach den Statuten von 1392 zwei Amtszeichen zu, die Epomis und die Rektorstäbe sowie die Pedellen. Die Epomis war ein Schulterumhang. Wie wichtig die Szepter waren, zeigt diese Illustration eines Zuges auf dem Konstanzer K, an dem auch Doktoren der Kölner Theologischen Fakultät als Repräsentanten der Korpotation teilnahmen. Ihnen wurde deshalb auch das Szepter vorangetragen.

Die Disziplinargewalt des Rektors

 

Die Kölner Universität erhielt 1929 aus Anlaß ihres zehnjährigen Bestehens von zwei Kölner Industriellen ein Paar Rektorstäbe gestiftet, die in Form und Bildsprache an ihre verlorenen mittelalterlichen Vorgänger anknüpfen sollten. Allerdings symbolisierten sie ebensowenig wie das für den Rektor wieder verwendete "Gerichts-" oder "Jurisdiktionssiegel" keine Rechtsprechungsgewalt mehr; sie waren inhaltsleere Zeichen akademischer Würde geworden. An ihrer Stelle symbolisierte nunmehr die Rektorkette das Haupt der Universität.

Den preußischen Universitäten, die wie Marburg oder Göttingen ihre Universitätsprivilegien vor dem Anfall an Preußen von den Landesherren von Hessen bzw. Hannover erhalten hatten, verblieb das akademische Gericht bis 1879. In diesem Jahre wurde für die preußischen Staaten der besondere Gerichtsstand der Universitäten zugunsten der ordentlichen Gerichte beseitigt. Den Rektoren verblieb fortan nur noch die Disziplinargewalt über ihre Studierenden, die sie mit dem Senat und dem Universitätsrichter ausübten.

Bei der Immatrikulation versprachen die Studierenden in Köln,"die Gesetze und Vorschriften für die Studierenden treu und gewissenhaft  zu beobachten ...", wie die Immatrikulationsurkunde des Walter Benzenberg von 1919 aussagt. Sie bekräftigten dies mit Handschlag in die Hand des Rektors - erst damit wurden sie "als Student ... unter die akademischen Bürger der Universität aufgenommen." Die Vorschriften für die Studierenden der Landesuniversitäten vom 1. Oktober 1914 sahen ein differenziertes Spektrum von Sanktionen bei Verstößen gegen diese Verpflichtung vor: Den mündlichen und den schriftlichen Tadel - dieser wieder unterteilt in "mit" und "ohne Aufnahme in das Abgangszeugnis", ferner die "Androhung" bzw. die "Verweisung von der Universität Köln" ("Unterschrift des consilium abeundi" und "Consilium abeundi"). Diese Strafen, wie auch die schärfste Sanktion, die Relegation (Ausschluß vom Studium), konnten nur durch Urteil des Senats verhängt werden. Eine akademsiche Karriere wurde damit so gut wie unmöglich, da mit einem entsprechenden Vermerk im Abgangszeugnis kaum Aussicht auf eine Einschreibung andernorts bestand.

Diente die Disziplinargewalt in der Weimarer Zeit der Ahndung von Vergehen gegen die Sitte und Ordnung wie Ruhestörung, Schulden oder Streitigkeiten, sowurde sie unter dem Nationalsozialismus ein Mittel zur Bekämpfung abweichender Meinungen: Das Disziplinarrecht wurde Mittel der "Gleichschaltung". Auch in der Bundesrepublik blieb das universitäre Diziplinargericht bestehen; es endete faktisch 1966, rechtlich erst 1970 mit dem Erlaß des ersten nordrhein-westfälischen hochschulgesetzes, das universitäre Disziplinarkammern nicht mehr vorsah.

Gnadenpfennig oder Zeichen der Selbstverwaltung? Die Rektorkette

Hatten die Rektorstäbe im 20. Jahrhundert ihre symbolische Kraft aufgrund der Rechtslage weitgehend eingebüßt, so zeichnete seit Anfang des Jahrhrunderts eine Amtskette den höchsten Repräsentanten der Universität aus. Schon im 16. und 17. Jahrhundert hatten Landesherren ihren Universitäten goldene Ketten mit ihrem Bild geschenkt, doch waren dies noch Gnadenketten, die qwegen ihres materiellen Werts eher dem Universitätsvermögen zugerechnet wurden.

Erst um die Jahrhrundertwende bemühten sich die Universitäten um Amtsketten, die etwa die preußischen Städte- und Gemeindeordnungen für die Bürgermeister als Insignie vorsahen. Die unmittelbare Vorgängerin der Universität, die Städtische Handelshochschule in Köln, erhielt durch Kabinettsorder Kaiser Wilhelms II. vom 14.5.1913 das Recht, für den "Studiendirektor" genannten Leiter eine Amtskette zu beschaffen.

Dies war ein symbolischer Punktsieg des Studiendirektors in seinen Bemühungenum die Aufwertung der Handelshochschule. Dies blieb - anders als Technischen und den Tierärztlichen Hochschulen – das Promotionsrecht verwehrt. Die damit verbundene Statusangleichung an die akademischen Hochschulen war Gegenstand der von Christian Eckert dem Kölner Oberbürgermeister vorgelegten Denkschrift vom 2. Juni 1913.

Für Köln, so Eckert, "ist an sich, wie schon angedeutet, der Name ‚Universität‘ sachlich nicht notwendig. Der Gedanke, mit diesem Namen auch mehr oder minder überlebte Formen und unzeitgemässe Einrichtungen in Kauf nehmen zu müssen, ist nicht sehr lockend. Nur die baldige Erringung des Promotionsrechte ist für die Cölner Hochschulen, namentlich für die ältere Handels-Hochschule, dringend geboten. Die Verleihung des Promotionsrechtes, das die Akademie in Münster ein Jahrhundert gehabt hat, ehe sie zur Universität ausgebaut wurde, würde für die zweckentsprechende Fortführung und Lösung der Cölner Aufgaben zunächst genügen. Sie ist allerdings auch ganz unentbehrlich.“

Seine wesentlichen Argumente waren:

„1) Dass Cöln als Grosstadt Anspruch auf eine Universität hat; 2) dass Vergangenheit wie neuzeitliche Anstrengungen Cöln seinen Anspruch unterstützen; 3) dass Cölns Wünsche nicht wegen der Nähe der Universität Bonn abgewehrt werden können; 4) dass dies auch insbesondere um deswillen nicht angeht, weil zwischen der Bonner und Cölner Universität tiefgreifende Unterschiede bleiben werden.“

In seinem Anschreiben, mit dem er Oberbürgermeister Wallraf die 'Denkschrift übersandte, dankte Eckert diesem abschließend für dessen Bemühungen bei der Bewilligung der Amtskette durch den König:

„Ich möchte dieses Schreiben nicht schliessen, ohne Ihnen, […] nochmals wärmstens dafür zu danken, dass sie die Erlaubnis zum Tragen einer Amtskette für unsere Hochschule erwirkt haben. Da keine Schule solches Privileg hat, liegt in der Erteilung dieser Erlaubnis ein weiterer Schritt zur Einfügung unserer Cölner Hochschulen in Reih und Glied mit den anderen deutschen akademischen Anstalten, über die ich mich für die Hochschule, wie persönlich sehr freue.“ (UA Köln, Zug. 10c/62).

Die Universität nutzte in den ersten Jahren die Kette der Handelhochschule als Amtszeichen der Rektoren. 1926 begann Diskussion um die Anfertigung einer neuen Rektorkette. Der Antragsteller, der Betrieswirtschaftler Erwin von Beckerath begründete seinen Vorstoß damit, „dass mir Schrift und Bild der jetzigen […] unzeitgemäss erscheint.“

Eckerts gereizte Antwort zeigt, wie schwer ihm der Abschied von der Rolle des allmächtigen Studiendirektors (in seiner Diktion „rector perpetuus“) in die des Universitätsrektors – nun nur noch primus inter pares – gefallen war. Im Jahre 1927 beschloß der Senat der Universität die Anfertigung einer großen Rektorkette durch den Goldschmied Ernst Riegel, die vor allem die sechs Siegel - das Dreikönigensiegel, das Jursitditkionssiegel und die Fakultätsiegel zeigt.

Die Handelshochschulkette wurde 1929 von dem Kölner Goldschmied Franz Dux, der auch die Bekrönungen der beiden Rektorstäbe und den Rektorbecher schuf. zur "kleinen Rektorkette" umgearbeitet, indem an die Stelle des Medaillons mit dem Bild des Kaisers das Universitätssiegel trat. Das Kaiser-Medaillon wird heute im Universitätsarchiv verwahrt.

„Unter den Talaren ..." - Wie alt ist eigentliche die akademische Tracht?

An der Kölner Universität trug schon im 16. Jahrhundert Hermann Weinsberg bei seiner Promotion zum Magister ein langes Gewand; dazu als Zeichen seines neuen akademischen Grades eine rote Kapuze und ein rotes „bonnet“, eine Kappe. Diese Tracht hat sich im angelsächsischen Bereich bis heute erhalten, wo die akademischen Grade mit einem Talar, eine makademischen "hood" (einer Kapuze) und der entsprechenden Kopfbedeckung verbunden sind; ein Beispiel finden Sie hier (externer Link).

Der Rektor trug als Zeichen seiner Würde die Epomis, einen seidenen (im Winter aus Pelz gefertigten) Schulterkragen neben den Rektorstäben. Als Zeichen der Professoralen und besonders der rektoralen Würde wurde der Talar erst seit dem 18. und verstärkt im 19. Jahrhrundert eingeführt: 1903 etwa beantragte die Universität Marburg beim preußischen König die Erlaubnis für einen besondere Rektorenmantel, die sie auch erhielt.

In Köln begann man schon 1919 sich Gedanken über die Amtskleidungen für die Professoren zu machen. Nachdem die Sache aber wegen fehlenden Geldes fünf Jahre nicht recht von der Stelle kam, wurde im Juni 1924 der Kunsthistoriker Professor Dr. Albert Brinckmann beauftragt, ein Gutachten über Talare für die Professoren und den Rektor zu erstellen.

„Talare haben vorzüglich zwei Aufgaben: einmal repräsentativ zu wirken, zum anderen rasch und auch fern von der Universität ohne große Vorbereitungen sich überziehen zu lassen. Aus dem letzten, keineswegs zu unterschätzenden Grund – denn so wird der 10-Uhr-morgens-Frack verschwinden – ist es erwünscht, dass der Talar deckend über jedem Anzug getragen werden kann. Weißes Hemd, Kragen und kleine Krawatte müssen genügend sein, damit hinterher der Professor ohne Umstände seinen täglichen Geschäften nachgehen kann. […]

Die repräsentative Wirkung ergibt sich aus der guten Form, den gewählten Farben und Abzeichen. Meines Erachtens sollte man in Köln an gewisse historische Formen anknüpfen, etwa an die Mantelform, wie sie in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts getragen wurde. […] Diese Mäntel haben einen großen, als breiten Aufschlag über die Brust hinuntergehenden Kragen und sehr breite Ärmelaufschläge. Das damalige Barett ist entschieden unkleidsam in seiner flachen Form.

Der Talar fällt, schon aus Zweckmäßigkeit, in breiten Falten nach unten, nur über der Schulter ist ein breites glattes Stück und ebenso bleibt rechts und links vom Schluß vorn eine Bahn frei, um evtl. für Ordensdekorationen eine Fläche frei zu haben. Die Grundfarbe ist schwarz. Kragen und Aufschläge sind in Samt und in den Fakultätsfarben, die seit alters her für Juristen, Mediziner und Philosophen festliegen: zinnoberrot, karminrot und dunkellila. Diese Farben können nur am Stück ausgewählt werden, da auf ihre Zusammenstimmung alles ankommt. Für die WiSo-Fakultät als historisch in ihrer Farbe nicht festgelegt, schlage ich ein dunkles Grün vor, in Harmonie mit den anderen Farben. Dies hat auch die gleiche Fakultät in Frankfurt gewählt. Alle Farben sind auch bei künstlichem Licht zu probieren, um nicht schwarz zu wirken.

Das Barett, das bei allen Festen nicht abgesetzt wird und fester Bestandteil der Amtstracht ist, ist gewöhnlich schwarz, kann aber auch in den Fakultätsfarben gehalten sein, wodurch das festliche Bild eines Aufzuges noch gesteigert wird. Als kleidsame Form für magere und nicht magere Gesichter empfiehlt sich ein Barett  mit Umschlag über den unteren ringförmogen Rand und leichter Aufwölbung. Der Rand ist fest, das übrige weich.

Der Rektor. Dies ist wohl die schwierigste Frage und dringend möchte ich nach den Urteilen, die ich gelegentlich des 500jährigen Rostocker Jubiläums 1919 hörte, davon abraten, den Rektor durch schwere Gewandung, womöglich gar durch einen [..] meist unechten Hermelinkragen auszuzeichnen. Auch hat man grade[!] in Köln, der Fastnachtsstadt, darauf zu achten, dass der Rektor nicht nach Maskerade, sondern nobel erscheint.“ (UA Köln, Zug. 28-35-1, Bl. 5)